In Brettens langer Geschichte bilden zwei Ereignisse besonders tiefe Einschnitte:

► Der bayrische Erbfolgekrieg um 1504 mit der erfolglosen Belagerung der Stadt durch den Herzog von Württemberg, und der für die nächsten 300 Jahre damit bestimmten politischen Zugehörigkeit zur Kurpfalz.

► Der sogen. Orléanssche Krieg oder Pfälzische Erbfolgekrieg, der, rund 40 Jahre nach dem Westfälischen Frieden im Kraichgau wütete, und die Stadt 1689 in Schutt und Asche legte.

Kurfürst Karl I. Ludwig, der älteste überlebende Sohn des Pfälzer Kurfürsten und böhmischen „Winterkönigs“, Friedrich V. ,verheiratete 1671 seine Tochter Liselotte von der Pfalz mit dem Herzog von Orléons, dem Bruder des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. und versprach sich davon politische Vorsorge und Absicherung gegen französische Landansprüche. 1685 starb Liselottes inzwischen regierender, kinderlose Bruder Karl II. und mit ihm die regierende reformierte Linie der Pfälzer aus. Die Herrschaft ging auf das katholische Pfalz-Neuburg über. Ludwig XIV. beanspruchte im Namen seines Bruders, entgegen der im Ehevertrag getroffenen Vorbehalte, beträchtliche Teile pfälzischen Landes. Er sah die Chance, mit diesem territorialen Zugewinn seine Macht gegenüber der wachsenden Allianz des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches zu stärken. Alle Verhandlungen um eine Kompromisslösung des Konflikts endeten am Ende ergebnislos.

Ohne Kriegserklärung marschierten französische Truppen 1688 bei Straßburg über den Rhein. Die Pfalz war darauf völlig unvorbereitet. Die eigentlichen Kreistruppen waren fernab in Ungarn, um dem Angriff der Türken standzuhalten. Alle Festungen waren personell dürftig besetzt und die wichtige Festung Philippsburg wurde nahezu verteidigungslos übergeben. Bereits Mitte Oktober besetzten die Franzosen den Kraichgau. Gemeinden die sich weigerten die geforderten hohen Zwangsgelder zu zahlen, wurden gnadenlos geplündert und verbrannt. Bretten konnte durch die Zahlung von 750 Gulden zunächst weiteren Schaden verhindern.

Als im Dezember Prinz Karl Gustav von Baden-Durlach aus Ungarn zurückkehrte und fränkische und bayrische Verstärkung mitbrachte, zog sich zum Jahreswechsel 1688/1689 Ludwig XIV. unter dem berüchtigten General Ezéchiel Mélac, mit großem Beutegut, Hunderten von geraubten Wagen und Geiseln, zurück.

Schon im Januar 1689 stößt Mélac erneut in Richtung Heidelberg vor und es beginnen systematische Zerstörungen. Der Befehl „Verbrennt die Pfalz“ brachte unermessliches Leid über die Menschen am Oberrhein und der Kurpfalz. Wer geglaubt hatte, dass die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges das Schlimmste waren, was Menschen ertragen können, wurde eines Besseren belehrt. Aus Versailles kommt der Befehl, die Stadtmauer und Wohnhäuser von Bretten und Gochsheim zu zerstören. Doch der Befehl trifft zu spät ein und kann nicht durchgeführt werden.  Mitte Juni beginnt die planmäßige Zerstörung der Pfalz und der badischen Markgrafschaften. Bruchsal, Heidelsheim, Sinsheim, Gochsheim, Bretten, Pforzheim, Durlach, Ettlingen, Rastatt, und viele weitere Ortschaften werden völlig vernichtet.

Am 12. August rückten französische Truppen vor die Stadt und forderten sie zur Übergabe auf. Zunächst war man in Bretten entschlossen Gegenwehr zu leisten, doch spätestens als man oben an der Gölshausener Lücke die auf die Stadt gerichteten Geschütze realisierte, wurde die Aussichtslosigkeit erkannt. Die pfälzischen Beamten hatten zuvor die Stadt verlassen. Auch mehrere Angehörige der württembergischen Landmiliz haben über die Mauer Reißaus genommen.

Mancher Brettener Heldenmut war wohl auch dem Alkohol geschuldet, denn beim Versuch ein Abwehrgeschütz zu zünden, kam es zu einer Explosion, weil das Rohr doppelt geladen war. Der französische Befehlshaber Marschall Claude de Choiseul-Franciéres ließ sich auf keine Verhandlungen ein und stellte knallharte Forderungen:

►  Alle hatten sich sofort zu ergeben.

►  Die Bürger sollten sich mit Weib und Kind in die Kirche begeben.

►  Die Stadt werde wie Bruchsal verbrannt. Die Leben werden geschont.

Die Bürger rafften ihre letzte Habe zusammen und eilten in die Kirche. Angst und Panik waren groß. Die Stiftskirche war vollgepfropft mit entsetzten Menschen. Währenddessen plünderten die Franzosen die Häuser. Kisten und Kasten wurden aufgebrochen und alles was einen Wert zu haben schien, wurde mitgenommen. Was nicht transportiert werden konnte, wurde vernichtet. Am Samstagmorgen kamen die Plünderer auch in die Kirche und die letzten Gegenstände wurden abgenommen. Wie Schlachtvieh wurden die Menschen gegen das Untertor getrieben und jeder musste einzeln hinausschlüpfen, wobei ihm das letzte Gerettete geraubt wurde.

In wenigen Stunden wurde die alte schöne Stadt in einen brennenden und rauchenden Trümmerhaufen versetzt. Übrig blieben die Stadtkirche und das Pfarrhaus sowie einige kleine Bürgerhäuser im tiefgelegenen Stadtteil Oppenloch. Auch die Stadtbefestigung, soweit sie aus Stein war, blieb erhalten.

Das alte Brettheim jedoch war verloren und unwiederbringlich in Schutt und Asche gelegt. Prächtige und bis ins späte Mittelalter zurückgehende Fachwerkbauten, die von vielen Generationen geschaffen und aufgebaut wurden, die sogar den Dreißigjährigen Krieg überstanden, wurden an diesem 13. August 1689 fast vollständig vernichtet. Die Franzosen begannen ein Zerstörungswerk, das sich durch eine bislang unbekannte  systematische Brutalität auszeichnete, mit dem Ziel, die Lebensgrundlagen der Gegner völlig zu zerstören.

Mit dem prächtigen und den Wohlstand der Stadt repräsentierenden Rathaus ist auch das städtische Archiv verbrannt. Damit fehlen die Quellen, Unterlagen, Stadtpläne, Urkunden und Akten zur Geschichte der Stadt vor 1689.

Für Bretten und seine Bürger folgte eine lange Zeit des Elends, Hungers und Angst. Die Überlebenden hausten zunächst in den Wäldern oder bauten sich Notbehelfe in der Stadt. Manche versuchten ihr Glück außerhalb und kamen auch nie mehr zurück. Bald kam der Winter. Die Ernte war vernichtet und Hilfe von Nachbarn war nicht zu erwarten. Überall musste verendetes Vieh begraben werden, es gab Tote, Verletzte und Kranke. Geld war keines mehr vorhanden.

Dieser schreckliche Krieg war noch lange nicht vorbei. Eine große Plage waren die gefürchteten durchziehenden Reiter und Dragoner, besonders die Husaren aus Ungarn, die mit zwei Regimentern am Rhein erschienen waren. Die erschöpfte Bevölkerung stöhnte noch einige Jahre immer wieder über Plünderungen, Mord, Totschlag, Vergewaltigungen, Krankheiten und Hunger.

Mit dem Frieden im holländischen Rijswijk vom 30.10.1697 endete ein neunjähriger verheerender Krieg. Ludwig XIV. hatte 1688 mit seinem Eroberungskrieg in der Kurpfalz auf einen schnellen Erfolg gesetzt. Doch gegen sein brutales Vorgehen bildete sich ab 1689 ein breites politisches Bündnis der Habsburger im Heiligen Römischen Reich. Völlig isoliert und am Ende zahlungsunfähig, musste das erschöpfte Frankreich dem Druck der Alliierten nachgeben und dem Friedensvertrag und dessen Bedingungen zustimmen.

Obwohl die Stadt nun endlich mit dem Wiederaufbau beginnen konnte, hat sich das Landstädtchen trotz späterem Amtssitz, erst mit Beginn der Industrialisierung und dem Bau von Eisenbahnlinien Mitte des 19. Jahrhunderts wieder erholt. (W. Stoll)

Quellen:

  • Rudolf Groll. Brettener Jahrbuch für Kultur und Geschichte 1960, S. 9 – 15
  • Alfons Schäfer. Geschichte der Stadt Bretten von den Anfängen bis zur Zerstörung im Jahre 1689, S. 389 – 393.
  • Anette Borchardt-Wenzel. Karl Wilhelm und sein Traum, S  9.-.38.

 

 


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Der 30-jährige Krieg (1618–1648) war der erste paneuropäische Konflikt in der Geschichte der Menschheit. Er begann als Religionskrieg, entwickelte sich aber rasch zu einem Hegemonialkrieg um die politische Vormachtstellung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.

Die kurpfälzische, dem kalvinistisch-reformierten Glaubensbekenntnis angehörende Stadt Bretten (damals: Breteheim) ist von Anfang an in diesen Krieg verwickelt. Als der kalvinistisch-reformierte Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz – Brettens damaliger Landesherr – von den aufständischen böhmischen Protestanten im August 1619 die Königskrone Böhmens annimmt, eskaliert der Konflikt zwischen dem katholischen Herrscherhaus Habsburg und den protestantischen Landesfürsten, der mit dem Prager Fenstersturz am 23. April 1618 begonnen hat.

Das damalige Mitteleuropa verwandelt sich in den folgenden 30 Jahren zuerst in ein Schlachthaus, dann in ein Massengrab: Mehr als ein Drittel der Bevölkerung wird ausgelöscht. So ist es auch in Bretten: Zu Beginn des Krieges hat die Stadt ca. 2100 Einwohner; am Ende des Krieges sind es noch knapp 1000.

In den ersten 14 Jahren des Krieges und im Schnitt hat Bretten deutlich weniger gelitten als die meisten anderen Städte und Dörfer der rechtsrheinischen Pfalz und des Kraichgaus. Militärisch betrachtet war Bretten eher Durchzugs- und Versorgungsgebiet bzw. Truppenhauptquartier als Kriegsschauplatz; die entscheidenden Schlachten dieses Krieges wurden andernorts geschlagen.

Der Krieg erreicht die Stadt Bretten zwei Jahre nach der Krönung ihres Kurfürsten zum König von Böhmen. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich Friedrich V. bereits im Exil: Den Kampf um Böhmen und seine Krone hat er innerhalb eines Jahres verloren.

Ab 1621 erobern die Truppen der Katholischen Liga unter dem kaiserlichen Feldmarschall Tilly die links- und rechtsrheinischen Gebiete der Pfalz. Auch das rechtsrheinische Bretten wird eingenommen und in den folgenden Jahren rekatholisiert. Anders als 1504, im Landshuter Erbfolgekrieg, verteidigt sich Bretten nicht bis zum Äußersten, sondern kapituliert kampflos – und erspart sich damit ein Gemetzel, wie es 10 Jahre später von Tilly in Magdeburg verübt wird. Die kampflose Übergabe war damals für eine belagerte Stadt die einzige Chance auf Schonung. Wer gekämpft hat bis zuletzt und erobert wurde, hatte keine Gnade zu erwarten.

Im 30-jährigen Krieg hat Bretten konsequent an dieser Überlebensstrategie festgehalten: Man hat sich kampflos ergeben und die geforderten Kontributionen (Lösegelder) gezahlt, so lange man konnte. Bereits nach wenigen Kriegsjahren war die Stadt deshalb hoch verschuldet, was wiederum zu Plünderungen an Vieh, Wein und Lebensmitteln geführt hat – und damit zu Hungersnöten und Seuchen, vor allem zwischen 1632 und 1637.

Obwohl es im Verlauf der zahlreichen Truppendurchzüge gewiss auch in Bretten zu Ausschreitungen und Kriegsverbrechen gekommen ist, hat die Stadt in den ersten 10 Kriegsjahren nicht allzu viel zu leiden.

Den schlimmsten Schicksalsschlag im Verlauf dieses Krieges muss Bretten am 24. August 1632 hinnehmen, dem Tag der Einnahme und Plünderung der Stadt durch kaiserlich-katholische Truppen unter den Obristen Ossa und Montecuccoli. Bretten stand damals unter schwedischer Besatzung, wobei sich sagen lässt, dass sich die Schweden in Bretten recht zivilisiert aufgeführt haben – immerhin waren sie ja Verbündete des vertriebenen Kurfürsten Friedrichs von der Pfalz, des „Winterkönigs“. Unter Ossa und Montecuccoli dagegen wird die Stadt – obwohl sie sich ergeben hat – ausgeplündert, die Pforten verbrannt und das Mauerwerk zum Teil zerstört. Besonders die Wegführung des gesamten Viehs führt in den nächsten drei Jahren zu katastrophalen Hungersnöten und Seuchen.

Im Jahre 1645 hat Bretten noch einmal zu leiden: unter französischer Besatzung wird die Stadt ein weiteres Mal geplündert und „auff das euserste ruiniert und verderbt“. Regelrecht verwüstet wie viele andere Teile der rechtsrheinischen Kurpfalz oder wie die linksrheinische Seite wurde Bretten allerdings nie – und unter der Herrschaft der katholisch-bayerischen Wittelsbacher durchaus anständig verwaltet.

Nach dem Ende des Krieges wird für die Kurpfalz eine neue (8.) Kurie eingerichtet: Landesherr (auch von Bretten) wird der kalvinistisch-reformierte Kurfürst Karl I. Ludwig, der älteste überlebende Sohn des „Winterkönigs“. Der erlässt sofort sog. »Einwanderungspatente«, um sein Land neu zu bevölkern. Damit lockt er vor allem Schweizer aus deutschsprachigen Kantonen in die verwüsteten Regionen. Nach 1650 kamen geschätzt ca. 10.000 Schweizer in die Kurpfalz, rund ein Fünftel davon nach Heidelberg.

Dr. Holger Jörg

 

Verwendete Fachliteratur:

Willy BICKEL, Kraichgau und Bruhrain während des 30-jährigen Krieges. In: Der Pfeiferturm. Beiträge zur Heimatgeschichte und Volkskunde Brettens und seiner Umgebung. Hrsg.: Ortsgruppe Bretten des Landesvereins Bad. Heimat, Nr. 7/1949 – Nr. 3/1950. Beilage der Brettener Nachrichten, 1949/50.

Alfons SCHÄFER, Geschichte der Stadt Bretten, Bd. I: Von den Anfängen bis zur Zerstörung im Jahre 1689. Brettener stadtgeschichtliche Veröffentlichungen. Hrsg. von der Stadt Bretten, 1977.

 

 


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Nach der letzten Erwähnung im Jahre 870 im Lorscher Kodex schweigt die Überlieferung für lange Zeit völlig über die Besitzer Brettens. Erst 1109 findet sich im Schenkungsbuch des Klosters Hirsau bei Calw eine Schenkungsurkunde zur Grafschaft Bretheim  an das Kloster im Nagoldtal.

Inhaber ab 1100 waren die Grafen von Lauffen a.N. Diese waren die Erben und Nachfolger der sogenannten Zeisolf-Wolframe, die im 11. Jahrhundert die Herren Brettens als salische Untergrafen waren. Bretten war urkundlich nachweisbar der namengebende Mittelpunkt der Grafschaft im Kraichgau.

Über die Entstehung und Deutung des Namens Bretten überlieferten sich ganz unterschiedliche und teilweise abwegige Erklärungen. Ein letzter Beweis lässt sich wohl kaum mehr belegen. Schäfer sieht den entscheidenden Ansatz im Areal um die heutige Stiftskirche. Im frühmittelalterlichen Dorf Breteheim standen das wohnturmartige herrschaftliche Steinhaus – an dessen Stelle im 18. Jahrhundert das Amthaus errichtet wurde – und das Herrenhaus des Fronhofes. Diese fanden sich auf Plattformen oberhalb des Saalbachtals. Ein Steilabfall zur Talaue trennt sie von der Flussniederung und dem im weiteren Verlauf wieder ansteigenden Hügelland.. Diese topografische Situation des ältesten Siedlungskernes Bretten – die Lage auf einer erhöhten Verebnung, einem Plateau, einer Tischplatte (Brett) gleich, scheint die von der Wortbedeutung her plausibelste Erklärung zu sein:

Breteheim, das Heim an der brett-förmigen Erhöhung.

 


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Der Kraichgau als Landschaft hat im Laufe der Geschichte erheblichen Wandel erlebt. Erstmals wird er in einer Urkunde vom 1. April 771 „in pago Creichgowe in Breteheimer Marca“ bezeichnet. Als geografischer Begriff wird er bis in die heutige Zeit recht unterschiedlich definiert.

Neben dem Gau als Landschaft gab es im fränkischen Reich Grafschaften als Verwaltungsbezirke. Der Graf diente im Auftrag des Königs die Gerichtsbarkeit aus. Außerdem war er für die militärische Befehlsgewalt zuständig. Bis ins 12. Jahrhundert bezeichnete man ihn  als comitatus. Aus einer Kaiserurkunde von 985 Otto von Worms (sein Bruder war Kaiser Konrad II.) als Graf des Kraichgaus, aber auch von Elsenz, Enz-, Pfinz- und anderer Gaue auf. Er stammte aus der Familie, die als das Geschlecht der Salier in die deutsche Geschichte eingegangen sind. 1024 befindet sich nachweislich bis 1056 Graf Wolfram als Graf im Kraichgau. Auch er war entweder Anhänger der Salier oder ein Verwandter. Die folgende ZeisolfWolfram Sippe wurde von den Saliern damit belehnt und deshalb als salische Untergrafen oder Lehensgrafen bezeichnet.

Nach 1100 änderte sich der Charakter der alten Grafschaften. Sie wurden nun nicht mehr vom König verliehen, sondern waren in der Hand von Adligen erblich geworden. Im Laufe des 13. bis 15. Jahrhunderts verändert sich der Name Kraichgau wieder zu einer reinen Landschaftsbezeichnung.

 


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Die erste urkundliche Erwähnung findet sich für:

Diedelsheim: 767
Rinklingen: 768
Neibsheim: 770
Bauerbach: 778
Gölshausen: 802
Ruit: 1244
Büchig: 1290
Dürrenbüchig: 1335

 

Der Alemannensturm der Jahre 259/260 hat mit rauher Hand alles Römische zuvor fortgewischt. Auch der Kraichgau wurde zwischen 260 bis 500 zum Siedlungsgebiet der Alemannen.

Nach langen kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Franken, gingen diese in einer Schlacht 496/497 unter König Chlodwig als Sieger hervor. Somit fiel den Franken zu, die germanischen Stämme von der Nordsee bis zu den Alpen politisch einheitlich zusammenzufassen. Diese Übernahme der Siedlungs- und Herrschaftsgebiete geschah natürlich nicht schlagartig, sondern über einen langen Zeitraum. Vor allem die allemannischen Unterschichten sind oft geblieben, während die vielen kleineren und größeren Grundherren, die zum Teil über eine beträchtliche Anzahl von Hörigen verfügten, enteignet wurden und neue fränkische Kolonisten und Herren ins Land zogen.

Die fränkische Besiedlung nach 500 hat den Grund gelegt, auf dem die Strukturen unserer Kulturlandschaft bis zur Gegenwart aufbauen. Vieles lässt sich für die Annahme belegen, dass Bretten zu den frühestens fränkischen Siedlungen gehörte, die nach 500 durch die Übernahme der Herrschaft entstanden sind. Die Franken müssen es gewesen sein, die Bretten den Namen gegeben haben. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass an der Stelle des fränkischen Breteheim schon eine alemannische Vorgängersiedlung bestanden hat, die aber ihren Namen verlor und der fränkischen Neugründung Platz machen musste. Aufgrund archäologischer Zeugnisse in nicht weniger als drei Reihengräbern auf Brettener Gemarkung geben uns Funde und die Arten der Bestattung, z.B. Grabhügel oder Flachgräber wichtige Hinweise über Siedlungen und die Ursprünge Brettens. Auch die Ortsnamenforschung lässt mit großer Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass Brettens Existenz 100 bis 200 Jahre vor der urkundlichen Erwähnung bestanden hat.

Die schriftlichen Zeugnisse für unseren Raum setzten allerdings erst nach der Mitte des 8. Jahrhunderts durch Aufzeichnungen der Klöster Lorsch und Weißenburg ein.

 


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Nur selten ist das Geburtsjahr einer Stadt, eines Dorfes oder einer Besiedelung exakt bestimmbar. Das Jahr der ersten urkundlichen Erwähnung, das aus historischer Sicht als zeitlicher Maßstab gilt, z.B. die urkundlich belegte Stadtwerdung oder eine Schenkungsurkunde, sagt nichts über die tatsächliche zeitliche Existenz eines Ortes aus. Oft gehen Jahrtausende menschlicher Geschichte voraus. Die jeweilige Landschaft mit ihren natürlichen Gegebenheiten, ihren Landschaftsformen, dem Gewässernetz, dem Boden, dem Klima und der Verkehrslage bildete den Lebensraum der vorgeschichtlichen Menschen.

Sucht man die Zeit, in der die ersten Menschen den Boden unserer Heimat betraten, sehen wir etwa vor 20 Jahrtausenden eine ziemlich nackte Erdoberfläche, die die letzte Eiszeit als Rohform gebildet hat und die nur für ein paar Wochen des Jahres kurze Sommer mit flüchtigem Grün hervorbrachten, um danach wieder in treibendem Schnee zu versinken. Der Kraichgau blieb zwar eisfrei, aber es hat sicherlich auch hier ein unwirtliches Klima geherrscht. Der Urmensch, dessen Unterkiefer man 1907 in einer Sandgrube bei Mauer südlich Heidelberg gefunden hatte, lebte vor etwa 500.000 Jahren.

Die Menschen der älteren Steinzeit, etwa 800.000 bis 10.000 v. Chr., jagten Mammut und Rentier. Bis zum Ende der mittleren Steinzeit etwa 4.000 v. Chr. waren alle Volksgruppen Jäger und Sammler. Sie durchstreiften nomadenhaft das Land und waren an den Lebensraum des Jagdwildes gebunden. Mit der Erwärmung des Klimas begannen die Wälder zu wachsen, die den Speiseplan um Beeren und Früchte erweiterten. Diese flüchtige Lebensweise hinterließ keine für uns sichtbaren Spuren. Erst als nach Jahrtausenden die Bauern kamen und sesshaft wurden, kamen Ackerbau und Viehzucht. Pferde waren noch unbekannt aber Rinder, Schafe, Schweine und Ziegen halfen mit, den Boden zu bearbeiten und Gerste, Hirse und Weizen zu säen. Der Kraichgau mit seinen vielfältigen regionalen Voraussetzungen und seiner fruchtbaren Landschaft boten beste Voraussetzungen zur Ansiedlung.

Diese Zeit lässt sich archäologisch in und um Bretten nachweisen. Zum ersten Male ist es 1912 dem Gymnasialprofessor Förster gelungen, im Hohkreuz eine steinzeitliche Siedlung zu entdecken, deren Spuren 1949 noch einmal angetroffen wurden. Bauernsiedlungen der jüngeren Steinzeit, also des 4. und 3. Jahrtausends v.Chr. sind durch den Uhrmachermeister Jäger ringsum Bretten an vielen Stellen gefunden worden. Drei größere entdeckte Siedlungen waren steinzeitliche Kulturgruppen, die als Bauernkulturen der Bandkeramik und der Rössener Kultur bekannt sind.

Neben diesen Bauernkulturen war auch die zur endsteinzeitlichen Kultur zählende Menschengruppe der Schnurkeramiker auf der Gemarkung Bretten vertreten. Stadtrat Georg Wörner hat 1883 in zwei Grabhügeln auf dem „Schänzle“ bei Sprantal einen Kern älterer Bestattungen mit beigelegten Tongefäßen und Steinwaffen entdeckt. Deren wirtschaftlicher Schwerpunkt lag nicht auf dem Ackerbau, sondern auf ausgedehntem Herdenbesitz. 1888 fand Wörner in einem Grabhügel im „Lehrwald“ in einer Bestattung der mittleren Bronzezeit (um 1600) v. Chr. den Dolch eines Mannes. Diese Funde sind schnurkeramisches Erbe.

In der nun folgenden Urnenfelderkultur oder Urnenfelderzeit (1300 – 800 v.Chr.) kam es zur Leichenverbrennung und Urnenbestattung. Auch diese Zeit lässt sich durch einen Fund in Bretten um 1940 mit drei schöngeformten Gefäßen belegen. Die Keltenzeit erfasst etwa das letzte halbe Jahrhundert vor Chr. Auf der Gemarkung Bretten ist sie mit drei Fundstellen vertreten. Ab 400 v. Chr. erlischt die Sitte, in Grabhügeln zu bestatten. In einem 100 Jahre jüngeren Grab ist die neue Bestattungsform als Flachgrab nachweisbar. Es wurde 1926 in der Ziegelei Betsche gefunden und zeigt einen keltischen Krieger mit voller Bewaffnung, mit Schwert, Lanze und Schild. Die Keltenzeit endet im letzten Jh. vor Chr.

Mit der Zeit um Christi Geburt vollziehen sich neue, große Veränderungen. Die Urgeschichte unserer Heimat ist abgeschlosseen. Mit der Römerzeit beginnt eine neue Zeitrechnung und die Frühgeschichte. Dass das Saalbachtal in dieser Zeit besiedelt war ist sicher und ebenfalls durch Funde von Bretten bezeugt. Es war in der Region eine Zeit des friedlichen Alltags. An den Segnungen der römischen Kultur, die links des Rheins einen verhältnismäßig ungebrochenen Übergang ins europäische Mittelalter erfahren hat, konnte das rechtsrheinische Gebiet allerdings nur kurze Zeit teilnehmen.

 


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Philipp Schwartzerdt, so sein Familienname, wird am 16. Februar 1497 im damals kurpfälzischen Städtchen Bretten geboren. Sein Vater Georg ist kurfürstlicher Rüstmeister, die Mutter Barbara stammt aus gutsituierter Kaufmannsfamilie, der  Großvater, in dessen Haus die Familie wohnt, ist zeitweise sogar Bürgermeister. Der Junge wächst mit vier Geschwistern auf und erwirbt sich früh ausgezeichnete Lateinkenntnisse. Schon mit elf Jahren endet für den hochbegabten Knaben die Kindheit. Innerhalb kurzer Zeit starben Vater und Großvater. So kommt er nach Pforzheim in die Lateinschule, wo ihm der berühmte Humanist Johannes Reuchlin seinen Namen ins Griechische übersetzt, wie das zu der Zeit in Humanistenkreisen üblich war. Gerade mal 12 Jahre alt, studiert er zunächst in Heidelberg, später in Tübingen die Fächer der Artistenfakultät. Er ist 21 Jahre, als er im August 1518 seine Antrittsvorlesung als Professor für Griechisch an der noch jungen sächsischen Landesuniversität in Wittenberg hält, wo auch Martin Luther Vorlesungen hält. Die beiden finden schnell Gefallen aneinander und die von Luther mit dem Thesenanschlag in Gang gekommenen Reformideen werden zur gemeinsamen Lebensaufgabe. Melanchthon wird nach Luther die größte ökumenische Gestalt der Reformationszeit. Und er ist zweifellos einer der letzten Universalgelehrten Europas, der von sich mit Recht behaupten konnte, über nahezu das gesamte Wissen seiner Zeit zu verfügen. Bis zu seinem Tode,  am 19. April 1560, lebte Melanchthon in Wittenberg.

Sein Geburtshaus wurde bei der Zerstörung der Stadt Bretten durch die Franzosen, am 13. August 1689, ein Opfer der Flammen. Leider liegt uns kein Originalbild vor. An der Stelle seines  Geburtshauses wurde 1705 ein Doppelhaus erbaut, das für lange Zeit als Geburtshaus angesehen wurde. Dieses Haus wurde 1896 abgebrochen, um dem Neubau des Gedächtnishauses Platz zu machen.

Der Abriss des Vorgängerbaus 1896

Das stattliche Haus im spätgotischen Stil fügt sich mit seiner besonderen Architektur harmonisch in das mittelalterlich geprägte Ensemble am Marktplatz ein. Das Melanchthonhaus ist Museum, Gedächtnis- und Kirchenraum, Veranstaltungsort und wissenschaftliche Forschungsstätte. Mit der Aufnahme der EU als europäisches Kulturerbe im Jahre 2013 wird die Bedeutung dieser überregionalen und konfessionsübergreifenden Einrichtung herausgehoben.

Das Zusammenwirken von Architektur, Ausstattung, Skulpturen, Bibliothek und Sammlungen authentischer Zeugnisse, Gemälde, Wappen und Gedenkmünzen entspricht genau der Vision des Erbauers und Melanchthonkenners Dr. Nikolaus Müller. Für den Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin lehrenden Professor der Theologie, Kirchenhistoriker und christlichen Archäologen war es lange schon ein Herzenswunsch, dem neben Martin Luther wichtigsten Partner und Gestalter der Reformation, Philipp Melanchthon, ein würdiges Denkmal zu setzen.

Mit seinen bis ins Detail präzisierten Bauplänen fand er, nach anfänglichen Kontroversen über seine gestalterische Auffassungen, volle Zustimmung in Bretten. Nachdem er selbst Großherzog Friedrich I. von Baden für das Vorhaben gewinnen konnte, stand den weiteren Bemühungen zur finanziellen Absicherung des Neubaus nichts mehr im Wege. Viel Unterstützung erfuhr er aus der evangelischen Kirchenwelt und vielen Gemeinden aus ganz Europa. Mit einem Förderverein sowie Hunderten von Spendenaufrufen entwickelte sich eine beispiellos erfolgreiche Umsetzung dieser bedeutsamen Gedenkstätte für den großen Humanisten, Reformer und Lehrer Deutschlands.

Die Entwürfe Nikolaus Müllers wurden von den Architekten Johannes Vollmer aus Berlin verfeinert, von Professor Hermann Billing aus Karlsruhe entworfen und in der letzten Phase vom Durlacher Architekten Wilhelm Jung ausgeführt.

Der Grundstein wurde am 400. Geburtstag Melanchthons am 16. Februar 1897 gelegt, der fertige Bau 1903 in Anwesenheit des Großherzogs feierlich eröffnet.

Seither besuchen jährlich Tausende Menschen aus aller Welt dieses Pantheon der Reformation. Die „Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa“ verlieh der Stadt Bretten zum 500. Jubiläum 2017 den Titel „Reformationsstadt Europas.“

 

Wolfgang Stoll

Quelle: www.melanchthon.com

 

 


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Einmal im Jahr am ersten Juli-Wochenende verwandeln sich die Stadt Bretten und ihre Bewohner in die Zeit des frühen 16. Jahrhunderts. Groß und Klein bereiten sich darauf in vielfältigen Gruppierungen das ganze Jahr vor und schlüpfen begeistert in die mit viel Sachkenntnis selbst geschneiderten historisch authentischen Gewänder. An vier Tagen unternimmt die Stadt eine farbenfrohe Zeitreise in eine bedeutsame Zeit des späten Mittelalters. Mit dem seit 2014 von der deutschen UNESCO in das bundesweite „Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes“ (www.unesco.de/immaterielles-kulturerbe) aufgenommenen Peter-und-Paul-Fest, wird dieses von großer Integrationskraft aller Bevölkerungsgruppen getragene Fest begeistert gefeiert.


Eine Stadt lebt ihre Geschichte.

Die Wurzeln dieses ältesten südwestdeutschen Volks- und Heimatfestes gründen sich auf drei historisch verbriefte Quellen:
Den Schäfersprung mit Schäfermarkt, von dem noch 1634 belegt ist, dass dort „seit alters her“ ein Wettlauf stattgefunden habe.
Die Entwicklung der Brettener Bürgerwehrtradition, wonach Ladebriefe zu einem Wett-schießen wehrhafter Bürger bereits im 16. Jahrhundert belegt sind und aus denen später die Bürgerwehren (erstmals urkundlich erwähnt in Bretten 1824) entstanden sind.
Und schließlich ist es die im Juni 1504 erfolgte erfolgreiche Abwehr der Belagerung der Stadt durch den württembergischen Herzog Ulrich im Rahmen des Landshuter Erbfolgekrieges, die im Mittelpunkt der detailliert überlieferten Geschehnisse des Festes stehen.

Der Landshuter oder pfälzisch-bayrische Erbfolgekrieg

Um die lokal in Bretten 1504 geschehenen Ereignisse in ihrer gesamten Dimension historisch einordnen zu können, muss man die Grundzüge dieses klassischen Konflikts zwischen den Reichsfürsten, in den auch der Habsburger König und (ab 1508) spätere Kaiser Maximilian I. involviert war, verstehen. Wie meistens ging es um Machtansprüche, die sich aus Erbstreitigkeiten ergaben. Das 16. Jahrhundert war nicht nur vom Ringen um den wahren Glauben, sondern auch von großen kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt.

Seit 1479 regierte der Wittelsbacher Georg der Reiche von Bayern-Landshut über ein sehr weitreichendes Gebiet. Er ist uns durch seine pompöse Heirat 1475 mit Hedwig, der Tochter des polnischen Königs bekannt, die auch heute noch alle vier Jahre mit der „Landshuter Fürstenhochzeit“ gefeiert wird. Georg wurde insbesondere durch seine Bergwerke in Reichenhall und Kitzbühel vermögend.

Da er ohne männlichen Erben geblieben ist, war die zwingende Folge der Wittelsbacher Hausverträge, dass sein Herzogtum nach seinem Tode an die Münchner Verwandten, die Linie der Herzöge von Bayern-München gehen werde. Nachdem es 1489 zum Bruch mit der Verwandtschaft und seinem Vetter Albrecht kam, vererbte Herzog Georg am 14. September 1496 sein Herzogtum testamentarisch an seine Tochter Elisabeth. Da seitens der Familie schon länger enge und verwandtschaftliche Beziehungen zur pfälzischen Kurlinie in Heidelberg bestanden, bestimmte er zusätzlich den Sohn des Pfalzgrafen Philipp, den damals 15 jährigen Ruprecht von der Pfalz, zu seinem Erben und zukünftigen Schwiegersohn. Das brachte natürlich nicht nur seinen verfeindeten Vetter Albrecht gegen ihn auf, sondern auch König Maximilian I. und die meisten Reichsfürsten, die alle gegen diese Erbfolge heftigen Widerspruch erhoben.

Die in diesem Testament bestimmte Ehe zwischen Elisabeth von Bayern-Landshut und ihrem Cousin Ruprecht von der Pfalz wurde am 10. Februar 1499 mit großem Glanz in Heidelberg geschlossen. Herzog Georg von Bayern-Landshut setzte im Dezember 1503 auf dem Totenbett seinen Pfälzer Schwiegersohn Ruprecht als Statthalter ein. Außer Markgraf Christoph von Baden, der sich an den dem Pfalzgrafen geschworenen Lehenseid gebunden fühlte, erhoben sich die alten und neuen Gegner der Pfalz: König Maximilian, die Herzöge von Bayern-München, die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach, die Stadt Nürnberg, der Schwäbische Bund, Herzog Ulrich von Württemberg, der Landgraf von Hessen, die Grafen von Hohenlohe, Leiningen, Zweibrücken u.a. Die Herzöge von Bayern-München, selbst sehr um die Mehrung ihres Herrschaftsgebietes bemüht, sahen sich um ihr verbrieftes Erbes betrogen.

Doch für die sich abzeichnenden kriegerischen Auseinandersetzungen waren nicht nur die verletzten Erbansprüche ausschlaggebend. Die seit zwei Jahrhunderten andauernde extensive Territorialpolitik der Kurpfalz war vielen schon lange ein Dorn im Auge. Seit dem frühen 14. Jahrhundert hatten die Pfalzgrafen ihr Herrschaftsgebiet über den gesamten südwestdeutschen Raum sukzessive ausgeweitet und straff und klug verwaltet. So wurden sie u.a. 1349 für die nächsten 450 Jahre auch die Herren von Bretten. Dieser ständige Gebietszuwachs führte zu einem deutlichen Machtzuwachs in der Reichspolitik. Pfalzgraf Ruprecht III. wurde von 1400 bis 1410 sogar deutscher König. Klar, dass diese kurpfälzische Politik auch schon 100 Jahre vor dem Landshuter Erbfolgekrieg Gegenreaktionen auslösten, um diese Machtbestrebungen zu begrenzen. Mit wenig Erfolg zwar, denn die Kurpfalz setzte die aggressive Hausmachtpolitik unvermindert fort. Man schreckte auch nicht vor kriegerischen Auseinandersetzungen zurück, bei denen die Kurpfalz immer häufiger die habsburgischen Territorialinteressen im Süden des Oberrheins, aus deren Haus der Habsburger Kaiser Friedrich III. selbst stammte, tangierten.

Die Kurpfalz war um 1500 die politisch stärkste und militärisch bedeutendste und dominierende Macht im Südwesten Deutschlands. Dazu kam ein immenser Streubesitz im Elsass, im Hunsrück, am mittleren Neckar und im ostbayrischen Raum um Amberg. Wäre es jetzt noch zu der durch Georg von Bayern-Landshut testamentarisch vorgesehenen Verbindung mit der Kurpfalz gekommen, hätte das zu einem hegemonialen Machteinfluss in Süddeutschland geführt. Weder der Kaiser noch die unmittelbar benachbarten Landesfürsten Herzog von Württemberg und der Landgraf von Hessen waren bereit, dieser Entwicklung tatenlos zuzusehen. Württemberg war 1495 von einer Grafschaft zum Herzogtum erhoben worden und interessiert, seine Regionalmacht durch eigene Ambitionen auszudehnen.

Nach dem Tode Georg des Reichen vollzog der Kaiser nach dem Reichsrecht die offiziell eintretende Belehnung der Herzöge von Bayern-München mit den Landshuter Besitzungen. Ruprecht von der Pfalz und seine Gemahlin Elisabeth ignorierten diese Belehnung und fühlten sich als rechtmäßige Erben der Ansprüche von Bayern-Landshut. Am 17. April 1504 wurde Landshut handstreichartig von kurpfälzischen Gefolgsleuten eingenommen. Mit seiner Frau Elisabeth bezieht Ruprecht das Landshuter Schloss. Am Nachmittag nahm Elisabeth im Rathaus die Huldigung als neue Landesherrin entgegen. Weitere Städte des Herzogtums wurden unter die Dienste der Kurpfalz gestellt.

Am 23. April 1504 verhängte Maximilian, damals noch röm.-deutscher König, über Ehemann Ruprecht von der Pfalz die Reichsacht. Bald formierte sich eine kriegsbereite Koalition, die sich von der expandierenden Heidelberger Politik in ihren eigenen Absichten gehindert sah.

Kurfürst Philipp von der Pfalz hat die Folgen der Testamentsbestimmung durch Herzog Georg des Reichen 1496 realistisch eingeschätzt und früh damit begonnen, Vorbereitungen für einen möglichen Kriegsbeginn zu treffen. So bewilligte er im August 1497 der Stadt Bretten eine Anleihe von 200 Gulden, um den weiteren Ausbau der Stadtbefestigung fortzusetzen. Bretten hatte während dieser Zeit besondere strategische Bedeutung. Man war sowohl Kreuzungspunkt verschiedener Fernhandelsstraßen, als auch nach Heidelberg die zweitwichtigste rechtsrheinische Stadt der Kurpfalz mit Sitz einer Amtsverwaltung für den Kraichgau und den angrenzenden Stromberg.

Vier Kriegsschauplätze

Der junge Pfälzer Ruprecht gilt als Urheber des nun im Mai 1504 beginnenden Erbfolgekrieges, der sich schwerpunktmäßig auf vier Kriegsschauplätzen verlagerte.

Im Norden, am Mittelrhein, an Nahe und Bergstraße sowie im heutigen Rheinhessen bedrängte der Landgraf von Hessen die kurpfälzischen Besitzungen. Östlich zogen sich die Kämpfe vom heutigen Mittelfranken bis in weite Teilzonen Oberösterreich und Tirol hin. König Maximilian konnte ziemlich ungestört im Süden am Oberrhein und in der Ortenau mit Unterstützung des Schwäbischen Bundes vordringen, da die Pfälzer einige Truppen an strategisch wichtiger eingeschätzte Positionen verlagerten. Aus der Chronik des Georg Schwartzerdt wissen wir, dass u.a. das sogenannte „Ortenauer Fähnlein“ vom Kurfürsten nach Bretten abkommandiert worden war. Auf dem westlichen Kriegsschauplatz rückte das Heer des gerade mal 17 jährigen Herzog Ulrich von Württemberg vom Illinger Feld über Maulbronn und Knittlingen nach Bretten vor. Das unter dem Schutz des pfälzischen Kurfürsten stehende Kloster Maulbronn wurde nach kurzem Widerstand eingenommen, genau wie Knittlingen und ein paar kleinere Dörfer.
Nun stand dieses vom Schwäbischen Bund und mit 87 französischen Rittern und 381 Pferden verstärkte zahlenmäßig weit überlegene Heer vor Bretten. Schwartzerdt gibt die Stärke des württ. Heeres mit 30.000 Mann an, aus anderen Quellen (C.F. Stälin, Wirtembergische Geschichte IV, S. 59) werden 20.000 Fußsoldaten und 800 Reiter genannt.

Am 18. Mai 1504 erreichte den pfälzischen Kurfürsten in Heidelberg die Kriegserklärung von Ulrich von Württemberg.

 

Die Belagerung Brettens 1504

Als besonders wertvolle und einzigartige Quelle gilt die schon erwähnte „Erzelung der Belagerung der Statt Bretten im Jare 1504“ mit einer am 25. Januar 1561 verfassten Widmung an den Pfalzgrafen Christoph, den Sohn des Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz, der vom Brettener Schultheiß Georg Schwartzerdt einen Bericht über die Ereignisse der Belagerung verlangt hatte. Schwartzerdt war der vier Jahre jüngere Bruder Philipp Melanchthons. Beide erlebten als sieben- und dreijährige Brüder die sehr nervöse und angespannte Stimmung in der Stadt, zumal das Haus des Großvaters Johann Reuter, in dem die Familie Schwartzerdt wohnte, mitten am Marktplatz stand. Georg Schwartzerdt war von 1546 bis 1562/63 Schultheiß und Vorsitzender des Gerichts und deshalb geeignet, die historischen Ereignisse detailliert aufzuzeichnen. Naturgemäß konnte er das nicht aus eigener Anschauung und Erinnerung, sondern stützte sich auf die Aussagen von für ihn glaubwürdigen Augenzeugen. Namentlich nennt er den Ritter Conrad von Sickingen, der 1504 als Amtmann in Bretten das Kriegsgeschehen mit koordinierte, den adeligen Ritter Erpf Ulrich von Flehingen, der sich durch kühne eigene Scharmützel auszeichnete und 1508 Nachfolger des Konrad von Sickingen als Amtmann in Bretten wurde. Die konkrete Belagerung als Kernstück der Erzählung hat Schwartzerdt nicht erst 1561, zum Zeitpunkt der Widmung an den jungen Pfalzgrafen, sondern einige Zeit vorher niedergeschrieben. Erpf Ulrich von Flehingen ist 1542 gestorben, sodass die Interviews mit den beiden Kriegsteilnehmern schon weit vorher geführt worden sein müssen. Selbst wenn man unterstellt, dass das menschliche Erinnerungsvermögen über lange Zeit hinweg an Verlässlichkeit verliert und man auch berücksichtigt, dass heldenhafte Augenzeugen im Rückblick manches überhöhen, können wir durch die Prägnanz und Detailliertheit der geschilderten Ereignisse von hoher Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit des Berichtes ausgehen, auch wenn im Widmungsbrief an Pfalzgraf Christoph durchaus der Stolz des Brettener Schultheißen mitschwingt, den überlegenen Truppen des Herzogs Ulrich von Württemberg erfolgreich widerstanden zu haben. Es ist ja nicht zuletzt dieser Stolz der Brettener, der bis heute die Grundlage für das seit Jahrhunderten gefeierte Peter-und-Paul-Fest umgibt.

Von Bruder Philipp Melanchthon, dem Universalgelehrten und Reformator, der seit 1518 in Wittenberg im Umkreis von Martin Luther lebt und lehrt, kennt und liest man keinen Kommentar zur Belagerung von Bretten. Überliefert ist immerhin sein Hinweis, die Pfälzer hätten den Krieg nur begonnen, da sie eine große bayrische Erbschaft zu machen hofften. Auch das kann als Hinweis betrachtet werden, dass Melanchthon die aggressive pfälzische Herrschaftserweiterung missfallen hat. Philipp hatte sicherlich stärker als sein Bruder Georg die Reichsperspektive im Blick, zum anderen dürfte er doch konkrete Erinnerungen an diese kriegsbelasteten Wochen gehabt haben. Als Kind musste er mit ansehen, wie sein Großvater während der Belagerung der Stadt von meuternden wütenden Landsknechten bedroht wurde, weil sie ihren Sold nicht gleich erhielten. Am dritten Tag der Belagerung ersticht am Marktbrunnen ein Landsknecht aus Weingarten aus Wut mit einem Sauspieß einen Landsknecht vom Ortenauer Fähnlein. Der Täter flieht in das Haus des Großvaters Johannes Reuter. Aufgebrachte Kumpane des getöteten Söldners verfolgten den Täter und setzten Reuter Spieße und Hellebarden auf die Brust. Erst als klar wurde, dass der Täter durch das am Tage offen stehende Salzhofer Tor geflohen war, zogen die aufgebrachten Kämpfer des Ortenauer Fähnleins wieder ab. Und schließlich kam ja der Vater, Georg Schwartzerdt, der Waffenschmied und Rüstmeister des Kurfürsten Philipp der Aufrichtige schwerkrank von der hessischen Front zurück, wovon er sich nicht mehr erholte und nach vier Jahren schwerem Siechtum im Oktober 1508 mit 49 Jahren verstarb und die Mutter mit fünf Kindern alleine da stand. Zweifellos waren diese Kriegserlebnisse eine „Wurzel seines lebenslangen Wirkens für Frieden durch Überbrücken der Gegensätze“ wie Melanchthon-Kenner Heinz Scheible formuliert. Krieg war für Melanchthon nie eine Option.

 

Der Kriegsverlauf

Nach der Einnahme des Klosters Maulbronn und von Knittlingen schlug Herzog Ulrich von Württemberg am 11. Juni 1504 am Stegersee an der Gemarkungsgrenze zwischen Knittlingen und Bretten das Hauptlager seiner großen Streitmacht auf. Kurz darauf richtete ein heftiges Unwetter beträchtlichen Schaden an den Zelten an. Man kann sich vorstellen, dass das der Kampfmoral Ulrichs Truppen nicht gerade förderlich war. Dazu verursachte die große Sommerhitze vor allem den in Rüstungen stehenden Kämpfern keine angenehmen Bedingungen. Am 18. Juni verließ er sein Lager am Stegersee und rückte mit seiner riesigen Wagenburg von Fuhrwerken und Geschützen vor die Stadt auf der Anhöhe vor Gölshausen. Im Nordosten der Stadt errichtete er seinen Geschützpark mit einer großen Schanze aus Hunderten mit Sand gefüllten Schanzkörben. Als besonders bedrohliche Waffe hatte Herzog Ulrich für seinen Feldzug die schwere Kanone „Ketterlin“ aus Ulm ausgeliehen und mitgeführt.

Schwartzerdts Chronik beschreibt detailliert wie sich Bretten auf die Verteidigung vorbereitete. Neben den bewaffneten Bürgern schlossen sich viele umliegenden Gemeinden, eine Reihe von Adeligen aus dem Kraichgau aber auch bewaffnete Formationen an, die von weiter her den Marschbefehl hatten, die Stadt zu schützen. Der Pfalzgraf hatte kriegserfahrene adlige Offiziere und Landsknechtsführer entsandt. Der Niederländer Marsilius von Reifenberg* hatte das Oberkommando neben dem kurpfälzischen Vogt Conradt von Sickingen.
Auch militärisch war man gut gerüstet. Es gab klare organisatorische und strategische Vorkehrungen und Festlegungen über Ausrüstung, personelle Zuordnungen und Verhalten bis hin zum Tragen von Erkennungsmerkmalen. Neben schweren Geschützen gab es viele kleine Handkanonen, unterschiedliche Stein- und Handbüchsen, Fässer mit Brandpfeilen u.a. Die Proviantvorräte an Korn, Mehl, Hafer, Dinkel usw. waren ausreichend und auch die Weinlager waren gut gefüllt.

Die ersten acht Tage hatte man überstanden und der erste Schrecken hatte etwas nachgelassen. Viele Geschosse sind über die Stadt hinweggefegt und die Schäden, die man an der Stadtmauer erlitt, konnten in der jeweiligen Nacht durch Mithilfe der Bevölkerung ausgebessert werden. Dass eine solche Bedrohung innerhalb einer engen Stadt auch zu Spannungen und Streitereien führen kann, lässt sich durch einige Vorkommnisse und störenden Zwischenfälle belegen. Sehr willkommen und möglicherweise kriegsentscheidend waren die vom Pfalzgrafen entsandten gutgerüsteten 1.500 Landsknechte als Verstärkung. Sie brachten auch den rückständigen Sold der Soldaten mit, was der Moral und Motivation förderlich war. Die Bevölkerung sah, dass der Pfalzgraf seine Stadt Bretten mit allen Mitteln halten wollte. Und dazu reifen inzwischen Pläne, wie man den württembergischen Belagerern Paroli bieten konnte.

 

Der überraschende Ausfall am 28.Juni 1504

Die Hauptleute einigten sich auf den berühmt gewordenen Ausfall, der am Freitag, den 28. Juni erfolgen sollte. Erst kurz vor Tagesanbruch wurde der Plan bekanntgegeben. Der Ausfall richtete sich nur gegen die württembergische Schanze. Um 8.00 Uhr machten sich rund 500 gering bewaffnete Männer als „verlorener Haufen“ auf den Weg. Dahinter folgten 70 bewaffnete Bürger und rund 1.000 gerüstete Landsknechte als Absicherung. Der Plan ging auf. Man überrumpelte die völlig überraschten Gegner am Morgen in ihrer Schanze beim Karten- und Würfelspiel, beim Reinigen der Kleider oder anderen Beschäftigungen. Es gab Tote und man nahm Gefangene, viele konnten fliehen. Geschütze und Waffen wurden in die Stadt gebracht und die Geräte und Kanonen, die nicht transportiert werden konnten, wurden untauglich gemacht. Im württembergischen Hauptlager entstand große Aufregung und Verwirrung.
Der Ausfall endete nach Schwartzerdts Bericht ohne Verluste für die Brettener, während die Württemberger etwa 250 Mann zu beklagen hatten. Hierzu gibt es aber auch Aussagen württembergischer Zeitzeugen, die die Verluste mit jeweils hundert angeben.

Herzog Ulrich antwortete am nächsten Tag mit heftiger Beschießung, woraus man auf seinen Zorn über die erlebte Demütigung schließen kann. Doch seine Versuche, die Stadt wegen der anhaltenden Trockenheit in Brand zu setzen, gelangen nicht. Ulrich schrieb an König Maximilian, dass er nach 13 Tagen Belagerung noch immer keinen erfolgreichen Abschluss sehe, weil die Stadt immer neue Unterstützung bekomme und forderte weitere Geschütze.

Es kam ihm sicherlich nicht ungelegen, als Pfalzgraf Philipp einen Vergleich anbot und am 2. Juli mit seinem Sohn und designierten Nachfolger Herzog Ludwig – durch seine Braut sogar der künftige Schwager Ulrichs – noch am gleichen Tag in Knittlingen einen Waffenstillstand vereinbarte.

Für Bretten war damit die Gefahr endgültig gebannt und die Stadt vor Erstürmung und Plünderung bewahrt. Ulrich zog mit seinem Heer weiter vor kurpfälzische Besitzungen wie Besigheim, Burg Löwenstein, Weinsberg oder Möckmühl, die er alle nach unterschiedlicher Dauer der Belagerung einnahm und die nach dem endgültigen Friedensschluss bei Württemberg verblieben.

Man darf den unmittelbaren militärischen Effekt des Ausfalls am 28. Juni 1504 sicher nicht überbewerten. Aber es war ein taktisch kluger und wirksamer Schachzug, der durch seinen Überraschungseffekt vor allem moralisch-psychologische Wirkung zeigte. Die Brettener haben tapfer gekämpft, aber letztlich auch viel Glück gehabt. Es hätte viel verheerender ausgehen können.

 

Bretten bleibt weiter kurpfälzisch.

Wie eine Ironie des Schicksals regelte sich kurz darauf die Erbfolge im Herzogtum Bayern- Landshut nach überirdischen Gesetzen. Ruprecht, der von Herzog Georg dem Reichen ausgewählte Schwiegersohn aus kurpfälzischem Hause, verstarb am 21. Juli 1504 an der Ruhr-Krankheit. Seine Gemahlin, die Herzogstochter Elisabeth folgte ihm am 15. September 1504. Durch die Vermittlung des „neutral“ gebliebenen Christoph Markgraf von Baden konnte am 10. September ein Waffenstillstand für den westlichen und südlichen Kriegsschauplatz geschlossen werden, dem im Januar 1505 auch ein Waffenstillstand für den besonders heftig umkämpften östlichen, bayrischen Kriegsschauplatz geschlossen werden. Als Folge kam es zu vielen neuen territorialen Gebilden und Verschiebungen der Machtverhältnisse, wonach auch König Maximilian, der spätere Kaiser, durch attraktiven Gebietsgewinn profitierte.

Die Kurpfalz musste als Folge des Landshuter Erbfolgekrieges hohe finanzielle Verluste und gravierende Einbußen ihres bisherigen Gebietsbestandes hinnehmen. Nach Kriegen wird immer deutlich, dass es den Beteiligten nicht nur auf die Eindämmung der Expansion des politischen Gegners ankommt, sondern immer auch eigene Gebietsansprüche bestehen. Nie mehr in der noch weiteren 300 Jahre währenden Geschichte als souveräner Staat sollte die Kurpfalz die gleiche Macht und Ausdehnung erfahren, die sie um 1500 herum hatte. Mit dem Griff nach dem Herzogtum Bayern-Landshut war nichts gewonnen – aber vieles für immer verloren.

Durch die abgewehrte Belagerung 1504 blieb Bretten im Südosten der Kurpfalz weitere fast 300 Jahre unter ihrer alten Landesherrschaft. Bretten kam 1803 zu Baden.

Wolfgang Stoll, April 2021

 

*Die Brettener Bürgerwehr wird urkundlich erstmals im Jahre 1824 erwähnt. Die Wiedergründung der Bürgerwehr erfolgte offiziell 1924. Die am 4. November 1921 gegründete Ortsgruppe der Badischen Heimat, also unser Vorgängerverein, lud zum 13. Mai 1924 sämtliche Vorstände der hiesigen Vereine und Organisationen mit der Stadtbehörde in das Gasthaus „Linde“ ein, um in dieser Besprechung die Wiedereinführung des Freischießens zu Peter-und-Paul anzuregen. Und dieser Gedanke der „Badischen Heimat“ wurde in die Tat umgesetzt. So sind es Schützenverein und Bürgerwehr in Bretten, die nach dem Zweiten Weltkrieg 1950 für eine Wiederbelebung des Festes sorgen und sich auf die Tradition des früheren sogen. Freischießens berufen.

**Der Historiker Heinz-Peter Mielke, 30 Jahre Leiter des Niederrheinischen Museums Grefrath kommt in seiner umfassenden Studie über das Geschlecht der Reifenberger zur Überzeugung, dass Marsilius von Reifenberg aus der belgischen Linie stamme.

Quellen:
Alfons Schäfer, Geschichte der Stadt Bretten von den Anfängen bis zur Zerstörung 1689, S. 199 – 209;
Peter Bahn, Brettener Jahrbuch, Neue Folge 3, 2003, S. 45 – 69
Axel Lange, Zwei Brüder schreiben Geschichte, 2017,
Michael Ertz, Geschichte der Bürgerwehr der Stadt Bretten, 1994,

Foto: Thomas Rebel

 

 


Zurück zum Zeitstrahl.

Welche Freude für eine Stadt, einen ihrer Bürger zu ehren, der auch noch rund 500 Jahre nach seiner Zeit weltweite Bedeutung und Verehrung erfährt!

Philipp Melanchthon, der große Humanist, Reformator, Universalgelehrte und engste Weggefährte Martin Luthers stammt aus Bretten. Sein Elternhaus, das seinem wohlhabenden Großvater gehörte, wurde beim Brand 1689 durch die Mordbrenner des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. völlig vernichtet. Mit dem im Oktober 1903 an gleicher Stelle eröffneten Melanchthon Gedächtnishaus direkt am Marktplatz, wurde Brettens größtem Sohn ein würdiges Denkmal geschaffen, das die Europäische Union im Jahre 2013 zum Europäischen Kulturerbe ernannt hat und die Stadt sich seit 2017 als Reformationsstadt Europas bezeichnen darf.

Philipp Schwartzerdt, so sein ursprünglicher Name, wurde am 16. Februar 1497 im Kraichgaustädtchen Bretten geboren. Sein Vater Georg stand als Rüstmeister und Waffenschmied in Diensten des kurpfälzischen Landesfürsten Philipp von der Pfalz. Die Familie lebte im Hause des wohlhabenden Großvaters und zeitweiligem Bürgermeister Johann Reuter am Marktplatz. Mutter Barbara brachte in Abständen von zwei Jahren noch vier Geschwister zur Welt, zwei Brüder und zwei Schwestern. Der Großvater kümmerte sich wegen der häufigen Abwesenheit des Vaters um einen Hauslehrer, der dem begabten Jungen in kurzer Zeit sehr gute Lateinkenntnisse vermittelte und damit die Grundlagen für seine Erfolge in Schule und Universität legte. Nach dem frühen Tod des Großvaters und Vaters im Oktober 1508 kam er mit seinem Bruder Georg in die Lateinschule nach Pforzheim, wo sie bei der Schwester des in Stuttgart lebenden und in Tübingen als Richter beschäftigten Humanisten Johannes Reuchlin liebevolle Aufnahme fanden.

Reuchlin kümmerte sich um den hochbegabten Philipp, der nach Schulschluss freiwillig Griechischstunden nahm. Reuchlin zeigt sich begeistert über die Fortschritte des Zwölfjährigen und schenkte ihm eine griechische Grammatik, in die er das Wappen aus seiner eigenen hebräischen Lehr-Grammatik einklebte und mit einer lateinischen Widmung ergänzte. Er verlieh ihm den Humanistennamen „Melanchthon“, seinen ins Griechische übersetzten Namen: Melan = schwarz; chthon = Erde. Dieses außergewöhnliche Dokument befindet sich heute in der Universität von Uppsala in Schweden.

Er nannte sich jetzt Philipp Melanchthon. Da er einen leichten Sprachfehler hatte, muss ihm die flüssige Aussprache des Namens zunächst selbst etwas schwergefallen sein.

Im Oktober 1509 immatrikulierte sich Melanchthon an der Universität in Heidelberg zum Grundstudium an der Artistenfakultät und schaffte in der kürzesten Zeit im Juni 1511 den ersten akademischen Grad des Baccalaureus artium. Gut ein Jahr später wechselte er im September 1512 an die Universität Tübingen Dort studierte er Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie (Quadrivium). Nebenher beschäftigte er sich mit Griechisch, Hebräisch und Latein. Er las antike Autoren sowie humanistische Dichter und machte Bekanntschaft mit neuen Lehrmethoden. Kurz vor seinem 17. Geburtstag schloss Melanchthon sein Studium mit dem Magistertitel ab. Danach war er verpflichtet, zwei Jahre an der Universität zu lehren und nutzte diese Zeit, sich in theologischen und anderen wissenschaftlichen Vorlesungen weiterzubilden.

Professor in Wittenberg

Kurfürst Friedrich der Weise in Sachsen bot 1518 dem damals bekanntesten Gräzisten Johannes Reuchlin für seine 1502 gegründete humanistisch geprägte Reformuniversität in Wittenberg den neu geschaffenen Lehrstuhl für Griechisch an. Dieser lehnte aus Altersgründen ab und empfahl seinen, wie er sich ausdrückte „gesippten Freund“ Melanchthon. Obwohl Martin Luther, inzwischen Theologieprofessor an der Leucorea, einen anderen im Auge hatte, blieb es bei der Berufung des „kleinen Griechen“, wie ihn später Luther anerkennend genannt hat. Am 25. August 1518 hält Melanchthon seine Antrittsrede in der vollbesetzten Schlosskirche. Mit seinen Vorstellungen „Über die Neugestaltung des Studiums der Jugend“ traf er voll den Nerv der anstehenden Reformbewegung und begeisterte und überzeugte selbst die Zweifler. Schnell erkannte man das Potential dieses gerade mal 1,50 kleinen Professors, der sich als sehr beliebter und begehrter Universitätslehrer zeigte und in dessen Vorlesungen bald darauf zwischen 400 – 600 Zuhörer saßen.

Auf Anregung Luthers erwarb Melanchthon innerhalb eines Jahres den akademischen Grad eines Baccalaureus biblicus. In seinen Prüfungsthesen stellte er die Autorität der Bibel gegen die Autorität des päpstlichen Lehramts, eine deutlich radikalere Position zum damaligen Zeitpunkt als die von Luther. Der Spitzensatz war: „Für einen Katholiken ist es nicht notwendig, über die Dinge hinaus, die ihm durch die Schrift bezeugt werden, noch andere zu glauben.“ Luther reagierte beeindruckt: Melanchthons Thesen seien „kühn, aber sehr wahr.“ Immer intensiver beschäftigt er sich in der Folgezeit mit theologischen Themen. Im Herzen bleibt er der geachtete und beliebte Lehrer und Professor, der sich am wohlsten unter seinen Studenten und im Hörsaal fühlt. 

Luther und Melanchthon finden schnell Gefallen aneinander und die von Luther angestoßenen Reformen werden zur gemeinsamen Lebensaufgabe.

Nach dem Wormser Edikt 1521, mit dem Luther durch Kaiser Karl V. verboten wurde, weitere Schriften gegen die Kirche zu veröffentlichen und die Reichsacht über ihn verhängte, veranlasste Friedrich der Weise ihn zu seinem Schutz auf der Wartburg unterzubringen. Luther konnte sich nicht mehr öffentlich für die Belange der Reformation einsetzen und bestimmte den jungen Melanchthon zu seinem Vertreter.

Melanchthon übernahm im Laufe der Jahre immer mehr die Rolle des theologischen Beraters des Kurfürsten und war bei den vielen anstehenden Religionsgesprächen und im Streit zwischen den Konfessionen ein auf Ausgleich und Kompromisslösung ausgerichteter und geschätzter Wortführer der lutherischen Sache. In solchen Positionen gerät man schnell zwischen die Fronten und Melanchthon musste manche Boshaftigkeit und Intrige, auch aus den eigenen Reihen, ertragen.

Mit seinen 1521 herausgegebenen loci communes gelang ihm ein viel beachtetes theologisches Lehrbuch, in dem er systematisch die Dogmatik der Wittenberger Reformation festhielt.

Viel zu wenig ist der Anteil Melanchthons an der Übersetzung der Lutherbibel 1522 hervorgehoben, die Martin Luther auf der Wartburg auf Anregung von Melanchthon veröffentlichte. An diesem Gemeinschaftswerk hatte Melanchthon großen Anteil. Im Griechischen war er Luther weit überlegen, der bei ihm Unterricht nahm und von Melanchthons in Tübingen erworbenen Hebräisch Kenntnissen profitierte.

Seit dem Thesenanschlag Luthers 1517 war der Streit um die reformatorische Theologie ungelöst. 1530 ordnete Kaiser Karl V. zum Reichstag in Augsburg eine Klärung und Einigung an. Es war die letzte Chance, die Kirchenspaltung zu verhindern. Mit der Confessio Augustana verfasste Melanchthon das in weiten Teilen mit der Altkirche übereinstehende Bekenntnis der Protestanten, das jedoch vom Kaiser abgelehnt wurde.

Martin Luther arrangierte 1520 gegen den Willen Melanchthons die Heirat mit der gleichaltrigen Bürgermeistertochter Katharina Krapp. Katharina brachte vier Kinder zur Welt, von denen der knapp zweijährige Sohn Georg während der Pestzeit starb. 1539 bezog die Familie ein repräsentatives Haus, das ihm Kurfürst Johann Friedrich schenkte, um ihn in Wittenberg zu binden. Melanchthon sah zu Beginn der Ehe seine Studien in Gefahr. Er war jedoch ein besorgter und liebevoller Vater und Ehemann und mit mancher familiären Sorge belastet. Im Hause Melanchthons lebten als Dauergäste immer wieder Studenten. Das repräsentative Haus im Renaissancestil steht heute noch als Schmuckstück inmitten von Wittenberg.

Es übersteigt unsere Möglichkeiten, Melanchthons Werk, Bedeutung und Wirkung hier angemessen zu skizzieren. Auch die Zusammenarbeit und das Verhältnis zwischen Luther und Melanchthon war in den 28 Jahren nicht immer unbelastet. Nach der anfänglich fast schon schwärmerischen Freundschaft gab es manche Auseinandersetzungen, Irritationen und zeitweiligen Entfremdungen. Melanchthon hatte viele attraktive Möglichkeiten und Angebote, Wittenberg zu verlassen. Nach dem Tode von Martin Luther im Jahre 1946 lag auf ihm die Hauptlast der Auseinandersetzungen, was ihm in den langen Jahren sowohl körperlich als auch seelisch oft sehr zugesetzt hat. Als er Ende März 1560 von einer Dienstreise aus Leipzig zurückkehrt, bekam er Fieber und starken Husten und wurde kurz darauf bettlägerig. Am 19. April versammelte sich die Familie und Freunde um ihn, während er, mit einem Lächeln auf den Lippen, friedlich einschlief. Sein Sarg wurde in der Schlosskirche neben Luthers Grab beigesetzt, wo heute noch eine Bronzeplatte darauf hinweist.

Ohne die mutigen Impulse Luthers hätte es die Reformationsbewegung so nicht gegeben. Ohne Melanchthon hätte die Reformation nicht die weit über die sächsischen Lande hinausgehende Entwicklung genommen und hätte es die evangelische Kirche wohl so nicht gegeben.

Melanchthon bleibt als Reformator und Universalgelehrter im Gedächtnis. Seine Lehrbücher zu nahezu allen wissenschaftlichen Disziplinen seiner Zeit erreicht über die Landesgrenzen hinaus wirkmächtiges und konfessionsübergreifendes Interesse.

Melanchthon war nach Luther die größte ökumenische Gestalt der Reformation.

Wolfgang Stoll

Quellen:

Heinz Scheible, Melanchthon 2016, Eine Biografie, C.H.Beck

www.Melanchthonhaus Bretten

Wikipedia „Philipp Melanchthon“ vom 27.11.2020 (eine exzellente Darstellung)