Brettens größter Sohn Philipp Melanchthon 1497 – 1560

Welche Freude für eine Stadt, einen ihrer Bürger zu ehren, der auch noch rund 500 Jahre nach seiner Zeit weltweite Bedeutung und Verehrung erfährt!

Philipp Melanchthon, der große Humanist, Reformator, Universalgelehrte und engste Weggefährte Martin Luthers stammt aus Bretten. Sein Elternhaus, das seinem wohlhabenden Großvater gehörte, wurde beim Brand 1689 durch die Mordbrenner des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. völlig vernichtet. Mit dem im Oktober 1903 an gleicher Stelle eröffneten Melanchthon Gedächtnishaus direkt am Marktplatz, wurde Brettens größtem Sohn ein würdiges Denkmal geschaffen, das die Europäische Union im Jahre 2013 zum Europäischen Kulturerbe ernannt hat und die Stadt sich seit 2017 als Reformationsstadt Europas bezeichnen darf.

Philipp Schwartzerdt, so sein ursprünglicher Name, wurde am 16. Februar 1497 im Kraichgaustädtchen Bretten geboren. Sein Vater Georg stand als Rüstmeister und Waffenschmied in Diensten des kurpfälzischen Landesfürsten Philipp von der Pfalz. Die Familie lebte im Hause des wohlhabenden Großvaters und zeitweiligem Bürgermeister Johann Reuter am Marktplatz. Mutter Barbara brachte in Abständen von zwei Jahren noch vier Geschwister zur Welt, zwei Brüder und zwei Schwestern. Der Großvater kümmerte sich wegen der häufigen Abwesenheit des Vaters um einen Hauslehrer, der dem begabten Jungen in kurzer Zeit sehr gute Lateinkenntnisse vermittelte und damit die Grundlagen für seine Erfolge in Schule und Universität legte. Nach dem frühen Tod des Großvaters und Vaters im Oktober 1508 kam er mit seinem Bruder Georg in die Lateinschule nach Pforzheim, wo sie bei der Schwester des in Stuttgart lebenden und in Tübingen als Richter beschäftigten Humanisten Johannes Reuchlin liebevolle Aufnahme fanden.

Reuchlin kümmerte sich um den hochbegabten Philipp, der nach Schulschluss freiwillig Griechischstunden nahm. Reuchlin zeigt sich begeistert über die Fortschritte des Zwölfjährigen und schenkte ihm eine griechische Grammatik, in die er das Wappen aus seiner eigenen hebräischen Lehr-Grammatik einklebte und mit einer lateinischen Widmung ergänzte. Er verlieh ihm den Humanistennamen „Melanchthon“, seinen ins Griechische übersetzten Namen: Melan = schwarz; chthon = Erde. Dieses außergewöhnliche Dokument befindet sich heute in der Universität von Uppsala in Schweden.

Er nannte sich jetzt Philipp Melanchthon. Da er einen leichten Sprachfehler hatte, muss ihm die flüssige Aussprache des Namens zunächst selbst etwas schwergefallen sein.

Im Oktober 1509 immatrikulierte sich Melanchthon an der Universität in Heidelberg zum Grundstudium an der Artistenfakultät und schaffte in der kürzesten Zeit im Juni 1511 den ersten akademischen Grad des Baccalaureus artium. Gut ein Jahr später wechselte er im September 1512 an die Universität Tübingen Dort studierte er Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie (Quadrivium). Nebenher beschäftigte er sich mit Griechisch, Hebräisch und Latein. Er las antike Autoren sowie humanistische Dichter und machte Bekanntschaft mit neuen Lehrmethoden. Kurz vor seinem 17. Geburtstag schloss Melanchthon sein Studium mit dem Magistertitel ab. Danach war er verpflichtet, zwei Jahre an der Universität zu lehren und nutzte diese Zeit, sich in theologischen und anderen wissenschaftlichen Vorlesungen weiterzubilden.

Professor in Wittenberg

Kurfürst Friedrich der Weise in Sachsen bot 1518 dem damals bekanntesten Gräzisten Johannes Reuchlin für seine 1502 gegründete humanistisch geprägte Reformuniversität in Wittenberg den neu geschaffenen Lehrstuhl für Griechisch an. Dieser lehnte aus Altersgründen ab und empfahl seinen, wie er sich ausdrückte „gesippten Freund“ Melanchthon. Obwohl Martin Luther, inzwischen Theologieprofessor an der Leucorea, einen anderen im Auge hatte, blieb es bei der Berufung des „kleinen Griechen“, wie ihn später Luther anerkennend genannt hat. Am 25. August 1518 hält Melanchthon seine Antrittsrede in der vollbesetzten Schlosskirche. Mit seinen Vorstellungen „Über die Neugestaltung des Studiums der Jugend“ traf er voll den Nerv der anstehenden Reformbewegung und begeisterte und überzeugte selbst die Zweifler. Schnell erkannte man das Potential dieses gerade mal 1,50 kleinen Professors, der sich als sehr beliebter und begehrter Universitätslehrer zeigte und in dessen Vorlesungen bald darauf zwischen 400 – 600 Zuhörer saßen.

Auf Anregung Luthers erwarb Melanchthon innerhalb eines Jahres den akademischen Grad eines Baccalaureus biblicus. In seinen Prüfungsthesen stellte er die Autorität der Bibel gegen die Autorität des päpstlichen Lehramts, eine deutlich radikalere Position zum damaligen Zeitpunkt als die von Luther. Der Spitzensatz war: „Für einen Katholiken ist es nicht notwendig, über die Dinge hinaus, die ihm durch die Schrift bezeugt werden, noch andere zu glauben.“ Luther reagierte beeindruckt: Melanchthons Thesen seien „kühn, aber sehr wahr.“ Immer intensiver beschäftigt er sich in der Folgezeit mit theologischen Themen. Im Herzen bleibt er der geachtete und beliebte Lehrer und Professor, der sich am wohlsten unter seinen Studenten und im Hörsaal fühlt. 

Luther und Melanchthon finden schnell Gefallen aneinander und die von Luther angestoßenen Reformen werden zur gemeinsamen Lebensaufgabe.

Nach dem Wormser Edikt 1521, mit dem Luther durch Kaiser Karl V. verboten wurde, weitere Schriften gegen die Kirche zu veröffentlichen und die Reichsacht über ihn verhängte, veranlasste Friedrich der Weise ihn zu seinem Schutz auf der Wartburg unterzubringen. Luther konnte sich nicht mehr öffentlich für die Belange der Reformation einsetzen und bestimmte den jungen Melanchthon zu seinem Vertreter.

Melanchthon übernahm im Laufe der Jahre immer mehr die Rolle des theologischen Beraters des Kurfürsten und war bei den vielen anstehenden Religionsgesprächen und im Streit zwischen den Konfessionen ein auf Ausgleich und Kompromisslösung ausgerichteter und geschätzter Wortführer der lutherischen Sache. In solchen Positionen gerät man schnell zwischen die Fronten und Melanchthon musste manche Boshaftigkeit und Intrige, auch aus den eigenen Reihen, ertragen.

Mit seinen 1521 herausgegebenen loci communes gelang ihm ein viel beachtetes theologisches Lehrbuch, in dem er systematisch die Dogmatik der Wittenberger Reformation festhielt.

Viel zu wenig ist der Anteil Melanchthons an der Übersetzung der Lutherbibel 1522 hervorgehoben, die Martin Luther auf der Wartburg auf Anregung von Melanchthon veröffentlichte. An diesem Gemeinschaftswerk hatte Melanchthon großen Anteil. Im Griechischen war er Luther weit überlegen, der bei ihm Unterricht nahm und von Melanchthons in Tübingen erworbenen Hebräisch Kenntnissen profitierte.

Seit dem Thesenanschlag Luthers 1517 war der Streit um die reformatorische Theologie ungelöst. 1530 ordnete Kaiser Karl V. zum Reichstag in Augsburg eine Klärung und Einigung an. Es war die letzte Chance, die Kirchenspaltung zu verhindern. Mit der Confessio Augustana verfasste Melanchthon das in weiten Teilen mit der Altkirche übereinstehende Bekenntnis der Protestanten, das jedoch vom Kaiser abgelehnt wurde.

Martin Luther arrangierte 1520 gegen den Willen Melanchthons die Heirat mit der gleichaltrigen Bürgermeistertochter Katharina Krapp. Katharina brachte vier Kinder zur Welt, von denen der knapp zweijährige Sohn Georg während der Pestzeit starb. 1539 bezog die Familie ein repräsentatives Haus, das ihm Kurfürst Johann Friedrich schenkte, um ihn in Wittenberg zu binden. Melanchthon sah zu Beginn der Ehe seine Studien in Gefahr. Er war jedoch ein besorgter und liebevoller Vater und Ehemann und mit mancher familiären Sorge belastet. Im Hause Melanchthons lebten als Dauergäste immer wieder Studenten. Das repräsentative Haus im Renaissancestil steht heute noch als Schmuckstück inmitten von Wittenberg.

Es übersteigt unsere Möglichkeiten, Melanchthons Werk, Bedeutung und Wirkung hier angemessen zu skizzieren. Auch die Zusammenarbeit und das Verhältnis zwischen Luther und Melanchthon war in den 28 Jahren nicht immer unbelastet. Nach der anfänglich fast schon schwärmerischen Freundschaft gab es manche Auseinandersetzungen, Irritationen und zeitweiligen Entfremdungen. Melanchthon hatte viele attraktive Möglichkeiten und Angebote, Wittenberg zu verlassen. Nach dem Tode von Martin Luther im Jahre 1946 lag auf ihm die Hauptlast der Auseinandersetzungen, was ihm in den langen Jahren sowohl körperlich als auch seelisch oft sehr zugesetzt hat. Als er Ende März 1560 von einer Dienstreise aus Leipzig zurückkehrt, bekam er Fieber und starken Husten und wurde kurz darauf bettlägerig. Am 19. April versammelte sich die Familie und Freunde um ihn, während er, mit einem Lächeln auf den Lippen, friedlich einschlief. Sein Sarg wurde in der Schlosskirche neben Luthers Grab beigesetzt, wo heute noch eine Bronzeplatte darauf hinweist.

Ohne die mutigen Impulse Luthers hätte es die Reformationsbewegung so nicht gegeben. Ohne Melanchthon hätte die Reformation nicht die weit über die sächsischen Lande hinausgehende Entwicklung genommen und hätte es die evangelische Kirche wohl so nicht gegeben.

Melanchthon bleibt als Reformator und Universalgelehrter im Gedächtnis. Seine Lehrbücher zu nahezu allen wissenschaftlichen Disziplinen seiner Zeit erreicht über die Landesgrenzen hinaus wirkmächtiges und konfessionsübergreifendes Interesse.

Melanchthon war nach Luther die größte ökumenische Gestalt der Reformation.

Wolfgang Stoll

Quellen:

Heinz Scheible, Melanchthon 2016, Eine Biografie, C.H.Beck

www.Melanchthonhaus Bretten

Wikipedia „Philipp Melanchthon“ vom 27.11.2020 (eine exzellente Darstellung)