Bau des Melanchthonhauses 1897 – 1903
Philipp Schwartzerdt, so sein Familienname, wird am 16. Februar 1497 im damals kurpfälzischen Städtchen Bretten geboren. Sein Vater Georg ist kurfürstlicher Rüstmeister, die Mutter Barbara stammt aus gutsituierter Kaufmannsfamilie, der Großvater, in dessen Haus die Familie wohnt, ist zeitweise sogar Bürgermeister. Der Junge wächst mit vier Geschwistern auf und erwirbt sich früh ausgezeichnete Lateinkenntnisse. Schon mit elf Jahren endet für den hochbegabten Knaben die Kindheit. Innerhalb kurzer Zeit starben Vater und Großvater. So kommt er nach Pforzheim in die Lateinschule, wo ihm der berühmte Humanist Johannes Reuchlin seinen Namen ins Griechische übersetzt, wie das zu der Zeit in Humanistenkreisen üblich war. Gerade mal 12 Jahre alt, studiert er zunächst in Heidelberg, später in Tübingen die Fächer der Artistenfakultät. Er ist 21 Jahre, als er im August 1518 seine Antrittsvorlesung als Professor für Griechisch an der noch jungen sächsischen Landesuniversität in Wittenberg hält, wo auch Martin Luther Vorlesungen hält. Die beiden finden schnell Gefallen aneinander und die von Luther mit dem Thesenanschlag in Gang gekommenen Reformideen werden zur gemeinsamen Lebensaufgabe. Melanchthon wird nach Luther die größte ökumenische Gestalt der Reformationszeit. Und er ist zweifellos einer der letzten Universalgelehrten Europas, der von sich mit Recht behaupten konnte, über nahezu das gesamte Wissen seiner Zeit zu verfügen. Bis zu seinem Tode, am 19. April 1560, lebte Melanchthon in Wittenberg.
Sein Geburtshaus wurde bei der Zerstörung der Stadt Bretten durch die Franzosen, am 13. August 1689, ein Opfer der Flammen. Leider liegt uns kein Originalbild vor. An der Stelle seines Geburtshauses wurde 1705 ein Doppelhaus erbaut, das für lange Zeit als Geburtshaus angesehen wurde. Dieses Haus wurde 1896 abgebrochen, um dem Neubau des Gedächtnishauses Platz zu machen.
Der Abriss des Vorgängerbaus 1896
Das stattliche Haus im spätgotischen Stil fügt sich mit seiner besonderen Architektur harmonisch in das mittelalterlich geprägte Ensemble am Marktplatz ein. Das Melanchthonhaus ist Museum, Gedächtnis- und Kirchenraum, Veranstaltungsort und wissenschaftliche Forschungsstätte. Mit der Aufnahme der EU als europäisches Kulturerbe im Jahre 2013 wird die Bedeutung dieser überregionalen und konfessionsübergreifenden Einrichtung herausgehoben.
Das Zusammenwirken von Architektur, Ausstattung, Skulpturen, Bibliothek und Sammlungen authentischer Zeugnisse, Gemälde, Wappen und Gedenkmünzen entspricht genau der Vision des Erbauers und Melanchthonkenners Dr. Nikolaus Müller. Für den Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin lehrenden Professor der Theologie, Kirchenhistoriker und christlichen Archäologen war es lange schon ein Herzenswunsch, dem neben Martin Luther wichtigsten Partner und Gestalter der Reformation, Philipp Melanchthon, ein würdiges Denkmal zu setzen.
Mit seinen bis ins Detail präzisierten Bauplänen fand er, nach anfänglichen Kontroversen über seine gestalterische Auffassungen, volle Zustimmung in Bretten. Nachdem er selbst Großherzog Friedrich I. von Baden für das Vorhaben gewinnen konnte, stand den weiteren Bemühungen zur finanziellen Absicherung des Neubaus nichts mehr im Wege. Viel Unterstützung erfuhr er aus der evangelischen Kirchenwelt und vielen Gemeinden aus ganz Europa. Mit einem Förderverein sowie Hunderten von Spendenaufrufen entwickelte sich eine beispiellos erfolgreiche Umsetzung dieser bedeutsamen Gedenkstätte für den großen Humanisten, Reformer und Lehrer Deutschlands.
Die Entwürfe Nikolaus Müllers wurden von den Architekten Johannes Vollmer aus Berlin verfeinert, von Professor Hermann Billing aus Karlsruhe entworfen und in der letzten Phase vom Durlacher Architekten Wilhelm Jung ausgeführt.
Der Grundstein wurde am 400. Geburtstag Melanchthons am 16. Februar 1897 gelegt, der fertige Bau 1903 in Anwesenheit des Großherzogs feierlich eröffnet.
Seither besuchen jährlich Tausende Menschen aus aller Welt dieses Pantheon der Reformation. Die „Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa“ verlieh der Stadt Bretten zum 500. Jubiläum 2017 den Titel „Reformationsstadt Europas.“
Wolfgang Stoll
Quelle: www.melanchthon.com