Die Zerstörung Brettens 1689

In Brettens langer Geschichte bilden zwei Ereignisse besonders tiefe Einschnitte:

► Der bayrische Erbfolgekrieg um 1504 mit der erfolglosen Belagerung der Stadt durch den Herzog von Württemberg, und der für die nächsten 300 Jahre damit bestimmten politischen Zugehörigkeit zur Kurpfalz.

► Der sogen. Orléanssche Krieg oder Pfälzische Erbfolgekrieg, der, rund 40 Jahre nach dem Westfälischen Frieden im Kraichgau wütete, und die Stadt 1689 in Schutt und Asche legte.

Kurfürst Karl I. Ludwig, der älteste überlebende Sohn des Pfälzer Kurfürsten und böhmischen „Winterkönigs“, Friedrich V. ,verheiratete 1671 seine Tochter Liselotte von der Pfalz mit dem Herzog von Orléons, dem Bruder des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. und versprach sich davon politische Vorsorge und Absicherung gegen französische Landansprüche. 1685 starb Liselottes inzwischen regierender, kinderlose Bruder Karl II. und mit ihm die regierende reformierte Linie der Pfälzer aus. Die Herrschaft ging auf das katholische Pfalz-Neuburg über. Ludwig XIV. beanspruchte im Namen seines Bruders, entgegen der im Ehevertrag getroffenen Vorbehalte, beträchtliche Teile pfälzischen Landes. Er sah die Chance, mit diesem territorialen Zugewinn seine Macht gegenüber der wachsenden Allianz des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches zu stärken. Alle Verhandlungen um eine Kompromisslösung des Konflikts endeten am Ende ergebnislos.

Ohne Kriegserklärung marschierten französische Truppen 1688 bei Straßburg über den Rhein. Die Pfalz war darauf völlig unvorbereitet. Die eigentlichen Kreistruppen waren fernab in Ungarn, um dem Angriff der Türken standzuhalten. Alle Festungen waren personell dürftig besetzt und die wichtige Festung Philippsburg wurde nahezu verteidigungslos übergeben. Bereits Mitte Oktober besetzten die Franzosen den Kraichgau. Gemeinden die sich weigerten die geforderten hohen Zwangsgelder zu zahlen, wurden gnadenlos geplündert und verbrannt. Bretten konnte durch die Zahlung von 750 Gulden zunächst weiteren Schaden verhindern.

Als im Dezember Prinz Karl Gustav von Baden-Durlach aus Ungarn zurückkehrte und fränkische und bayrische Verstärkung mitbrachte, zog sich zum Jahreswechsel 1688/1689 Ludwig XIV. unter dem berüchtigten General Ezéchiel Mélac, mit großem Beutegut, Hunderten von geraubten Wagen und Geiseln, zurück.

Schon im Januar 1689 stößt Mélac erneut in Richtung Heidelberg vor und es beginnen systematische Zerstörungen. Der Befehl „Verbrennt die Pfalz“ brachte unermessliches Leid über die Menschen am Oberrhein und der Kurpfalz. Wer geglaubt hatte, dass die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges das Schlimmste waren, was Menschen ertragen können, wurde eines Besseren belehrt. Aus Versailles kommt der Befehl, die Stadtmauer und Wohnhäuser von Bretten und Gochsheim zu zerstören. Doch der Befehl trifft zu spät ein und kann nicht durchgeführt werden.  Mitte Juni beginnt die planmäßige Zerstörung der Pfalz und der badischen Markgrafschaften. Bruchsal, Heidelsheim, Sinsheim, Gochsheim, Bretten, Pforzheim, Durlach, Ettlingen, Rastatt, und viele weitere Ortschaften werden völlig vernichtet.

Am 12. August rückten französische Truppen vor die Stadt und forderten sie zur Übergabe auf. Zunächst war man in Bretten entschlossen Gegenwehr zu leisten, doch spätestens als man oben an der Gölshausener Lücke die auf die Stadt gerichteten Geschütze realisierte, wurde die Aussichtslosigkeit erkannt. Die pfälzischen Beamten hatten zuvor die Stadt verlassen. Auch mehrere Angehörige der württembergischen Landmiliz haben über die Mauer Reißaus genommen.

Mancher Brettener Heldenmut war wohl auch dem Alkohol geschuldet, denn beim Versuch ein Abwehrgeschütz zu zünden, kam es zu einer Explosion, weil das Rohr doppelt geladen war. Der französische Befehlshaber Marschall Claude de Choiseul-Franciéres ließ sich auf keine Verhandlungen ein und stellte knallharte Forderungen:

►  Alle hatten sich sofort zu ergeben.

►  Die Bürger sollten sich mit Weib und Kind in die Kirche begeben.

►  Die Stadt werde wie Bruchsal verbrannt. Die Leben werden geschont.

Die Bürger rafften ihre letzte Habe zusammen und eilten in die Kirche. Angst und Panik waren groß. Die Stiftskirche war vollgepfropft mit entsetzten Menschen. Währenddessen plünderten die Franzosen die Häuser. Kisten und Kasten wurden aufgebrochen und alles was einen Wert zu haben schien, wurde mitgenommen. Was nicht transportiert werden konnte, wurde vernichtet. Am Samstagmorgen kamen die Plünderer auch in die Kirche und die letzten Gegenstände wurden abgenommen. Wie Schlachtvieh wurden die Menschen gegen das Untertor getrieben und jeder musste einzeln hinausschlüpfen, wobei ihm das letzte Gerettete geraubt wurde.

In wenigen Stunden wurde die alte schöne Stadt in einen brennenden und rauchenden Trümmerhaufen versetzt. Übrig blieben die Stadtkirche und das Pfarrhaus sowie einige kleine Bürgerhäuser im tiefgelegenen Stadtteil Oppenloch. Auch die Stadtbefestigung, soweit sie aus Stein war, blieb erhalten.

Das alte Brettheim jedoch war verloren und unwiederbringlich in Schutt und Asche gelegt. Prächtige und bis ins späte Mittelalter zurückgehende Fachwerkbauten, die von vielen Generationen geschaffen und aufgebaut wurden, die sogar den Dreißigjährigen Krieg überstanden, wurden an diesem 13. August 1689 fast vollständig vernichtet. Die Franzosen begannen ein Zerstörungswerk, das sich durch eine bislang unbekannte  systematische Brutalität auszeichnete, mit dem Ziel, die Lebensgrundlagen der Gegner völlig zu zerstören.

Mit dem prächtigen und den Wohlstand der Stadt repräsentierenden Rathaus ist auch das städtische Archiv verbrannt. Damit fehlen die Quellen, Unterlagen, Stadtpläne, Urkunden und Akten zur Geschichte der Stadt vor 1689.

Für Bretten und seine Bürger folgte eine lange Zeit des Elends, Hungers und Angst. Die Überlebenden hausten zunächst in den Wäldern oder bauten sich Notbehelfe in der Stadt. Manche versuchten ihr Glück außerhalb und kamen auch nie mehr zurück. Bald kam der Winter. Die Ernte war vernichtet und Hilfe von Nachbarn war nicht zu erwarten. Überall musste verendetes Vieh begraben werden, es gab Tote, Verletzte und Kranke. Geld war keines mehr vorhanden.

Dieser schreckliche Krieg war noch lange nicht vorbei. Eine große Plage waren die gefürchteten durchziehenden Reiter und Dragoner, besonders die Husaren aus Ungarn, die mit zwei Regimentern am Rhein erschienen waren. Die erschöpfte Bevölkerung stöhnte noch einige Jahre immer wieder über Plünderungen, Mord, Totschlag, Vergewaltigungen, Krankheiten und Hunger.

Mit dem Frieden im holländischen Rijswijk vom 30.10.1697 endete ein neunjähriger verheerender Krieg. Ludwig XIV. hatte 1688 mit seinem Eroberungskrieg in der Kurpfalz auf einen schnellen Erfolg gesetzt. Doch gegen sein brutales Vorgehen bildete sich ab 1689 ein breites politisches Bündnis der Habsburger im Heiligen Römischen Reich. Völlig isoliert und am Ende zahlungsunfähig, musste das erschöpfte Frankreich dem Druck der Alliierten nachgeben und dem Friedensvertrag und dessen Bedingungen zustimmen.

Obwohl die Stadt nun endlich mit dem Wiederaufbau beginnen konnte, hat sich das Landstädtchen trotz späterem Amtssitz, erst mit Beginn der Industrialisierung und dem Bau von Eisenbahnlinien Mitte des 19. Jahrhunderts wieder erholt. (W. Stoll)

Quellen:

  • Rudolf Groll. Brettener Jahrbuch für Kultur und Geschichte 1960, S. 9 – 15
  • Alfons Schäfer. Geschichte der Stadt Bretten von den Anfängen bis zur Zerstörung im Jahre 1689, S. 389 – 393.
  • Anette Borchardt-Wenzel. Karl Wilhelm und sein Traum, S  9.-.38.

 

 


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